Historischer Rückblick
Die Lage der heimischen Weinberge
In jüngster Zeit ist die Erkenntnis zurück gekehrt, dass an der unteren Saale der Weinbau zu Hause war
Von BERNHARD GREMLER
Bernburg/MZ. Fast jeder hat bei Reisen in südliche Länder die oft riesigen Weinfelder gesehen, hat die mit Rebstöcken
bepflanzten weit gestreckten Hanglagen bestaunt.
In den letzten Jahren ist die Kenntnis darüber zurück gekehrt, dass an der unteren Saale früher ebenfalls der Weinbau zu
Hause war. Auf den ersten Blick scheint davon nichts mehr übrig geblieben zu sein. Beim näheren Hinsehen aber schimmert
manch Andenken nach.
Rebpflanzungen
So dürfte dann die Frage nach Lage und Struktur früherer Rebpflanzungen den Weinliebhaber und Kleinanbauer heutiger Tage
ebenfalls interessieren. Wenig blieb erhalten. Versuchen wir dennoch einen Rückblick.
Beginn mit Messwein
Schon vor 1030 Jahren, 973 nämlich, wurde Weinanbau bei Alsleben, Schackstedt und Purtin (wüst geworden) bei Haus Zeitz
erwähnt. Die Rebe blühte hier also früher als an der mittleren Saale (Naumburg) und als an der Unstrut (Freyburg).
Diese Erkenntnis der letzten Jahre könnte man sich wie einen guten alten Wein genüsslich auf der Zunge zergehen lassen.
Nienburg folgte mit der Erwähnung von Weinbau im Jahre 1090. Vom 12. Jahrhundert an reißen die Hinweise auf Weinanbau in
unserer Heimat nicht mehr ab.
Erinnert sei an: 1150 Rothenburg, 1162 Wildenberg (wüst) bei Nelben, 1173 Könnern, 1194 Aderstedt, 1375 Waldau und danach
in das 17./18. Jahrhundert hinein auch Beesen(laublingen), Bernburg, Gröna, Gnölbzig, Großwirschleben, Mukrena, Mödewitz,
Neugattersleben, Plötzkau, Strenznaundorf, Trebnitz.
Rechnet man die wüst gefallenen Orte alle dazu, bei denen Weinbau Erwähnung fand, ergäbe sich jene Kette, jener Kranz von
Weinbergen auf den Uferhöhen der Saale und in einigen Nebentälern, von denen der verdienstvolle Heimatforscher Franz
Stieler nicht selten geschwärmt hat.
Auslöser dieser Entwicklung war die Kirche, waren die Klöster mit ihrem Bestreben, den so genannten "Messwein", den Wein für
das Heilige Abendmahl im Rahmen der Messen, der Gottesdienste, durch "Anbau vor Ort" selbst zu gewinnen.
Zudem war Wein das Standardgetränk in den Klöstern. Klöster wiederum und klosterähnliche Einrichtungen gab es auf dem
knappen Territorium des heutigen Landkreises Bernburg entlang der Saale mit den Niederlassungen in Alsleben, Aderstedt,
Cölbigk, Bernburg und Nienburg wahrlich in reicher Fülle.
Wallfahrtsort
Cölbigk war außerdem als Wallfahrtsort ein Zielpunkt von Pilgerscharen. Die Devise war erteilt, und sie wurde offensichtlich
verwirklicht.
Später wurde der Wein auch zum Haus- und Repräsentationstrunk des Adels, sowohl bei den anhaltischen Fürsten, als auch beim
Landadel. Das gehobene Bürgertum, Ratsherren und betuchte Handwerksmeister, standen diesen Bestrebungen in nichts nach.
Die Pflanzungen
Der Weinbaupionier früherer Zeiten brauchte geologisch gesehen für seine Pflanzung drei unerlässliche Dinge: Wasser aus der
Natur, Hanglage und Südneigung.
Nur als Hangweinbau, oder in der verfeinerten Form als Terrassenweinbau, konnte hier am 52. Grad Nördlicher Breite eine
Rebpflanzung als Flächenkultur gedeihen. Der wärmende "Rücken" des Hanges oder der Terrassenwand musste das Manko an
Sonnenenergie ausgleichen, unterstützt durch die maximale Sonneneinstrahlung, die nur einer Südlage zu Teil wird. Zudem
schützt ein Südhang vor kalten Nordwinden, die einer Rebpflanzung erheblich zusetzen können. Wasser zum Pflanzen, zum
Nachpflanzen und zur Verarbeitung war ebenso erste Notwendigkeit.
Erwies sich das Dargebot dabei als Großgewässer wie bei der Saale, konnten weitere Vorteile rekrutiert werden. Die
Spiegelwirkung der Wasseroberfläche führte dem Rebstock einen willkommenen Zuschlag an Sonnenlicht zu, von den heutigen
Weinbauern als "Äquatoreffekt" bezeichnet.
Lag der Weinberg direkt auf dem Uferhang über dem Fluss, so profitierte er in kühlen Herbsttagen von der Wärmeabgabe der
Wassermasse und erhielt damit einen zusätzlichen Bonus für die Ausreife der Trauben.
Derart gute Weinlagen gab es mehrfach über der Saale, teilweise auch über Bode und Wipper. Weinberge in Nebentälern über
Bächen wie bei Schackstedt, Strenznaundorf oder wie im Teufelsgrund bei Könnern konnten den Bonus großer Wassermassen
nicht nutzen, genossen dafür aber den Vorteil der reinen Südlage ihrer Hänge.
Weinberge
Bei uns zeigt sich das Saaletal als Miniaturlandschaft im Vergleich mit der oft gewaltigen Naturkulisse südlicher
Stromtäler, in denen die Rebe blüht. Ebenso bescheiden-beschaulich waren hier die Weinberge. Folgende Flächengrößen sind
überliefert: Aderstedt fünf Hektar, Bernburg und Waldau 25 Hektar anhaltisch-fürstliches Weinland, dazu Weinberge in
bürgerlichem Besitz, Gröna drei Hektar, Neugattersleben vier.
Könnern besaß 25 Weinberge, ohne dass die Chronisten die Flächengrößen dazu vermerkt hätten. Die fehlen auch für den
Alslebener Weinbau, obwohl der Ort drei hervorragende und großflächige Weinlagen sein Eigen nennen konnte. Eine alte
Regel besagt, dass mindestens 1,5 bis 2, besser noch 2,5 Hektar Weinland erforderlich sind, um eine Winzerfamilie zu
ernähren.
Pflanzreihen
Die Pflanzreihen folgten meist der senkrechten Anordnung (von oben nach unten) mit Ausnahme vor Terrassenwänden. Die
Weinstöcke erzog man ursprünglich "am Pfahl" mit tief ansetzenden Fruchtreben. Später ging man zur Bogen- oder
Drahterziehung über.
Fast alle Weinberge und Weingärten besaßen am Bergfuß eine Weinberghütte, ein kellerartiges Gelass aus Naturstein, das in
den Hang hinein gebaut wurde, der kühlenden Wirkung wegen. Ein Pfad zog sich meist von der Hütte aus nach oben, an dessen
Ende bei größeren Pflanzungen eine Winzerlaube oder ein Winzerhäuschen stand.
Wege zum Weinberg lagen überwiegend am Bergfuß, doch auch Höhenwege gab es. Am Hang selbst wurde oft das obere Drittel, der
am intensivsten "besonnte" Bereich, mit den edelsten Weinsorten bepflanzt.
Weißwein
Interessant sind auch die Angaben zu den bevorzugten angebauten Rebsorten. Bei den weißen Weinen wurden genannt: der
Elbling, der Silvaner, der Gutedel und - in den besten Sonnenlagen - der Traminer. Riesling wurde hier nie angebaut,
entgegen mancher heute zu hörenden Aussagen.
Das konnte er auch nicht, denn die kleine, spät reifende Traube kann sich in unserem kühlen Klima nicht entfalten. Bei
den roten Sorten wurden Spätburgunder und Portugieser zunehmend vom "Guten Blauen", also vom "Blauen Bernburger"®,
verdrängt. Eine Überraschung ist zweifellos der Anbau des Traminers.
Er gilt als "Kaiser der Weißweine" mit höchsten Ansprüchen an Standort und Ausbau, seiner Herkunft aus Südtirol vom
Sonnenparadies der Alpen her geschuldet. Dass die alten Weinbauern hier an der unteren Saale das geschafft haben, spricht
ihrem Können auch heute noch ein großes Lob aus.
Es leuchtet ein, dass Weinanbau am 52. Grad nördlicher Breite in besonderem Maße wetterabhängig und arbeitsintensiver war
und ist. So liefern die Angaben über die Erträge der Weinberge allesamt eine klare Tendenz: In mageren Sonnenjahren lag
die Ausbeute um gut die Hälfte unter derjenigen der besten Weinjahre. Im Schnitt ergibt sich dennoch eine ansprechende
Bilanz.
Gönaer Weinberg
So lieferte der Grönaer Weinberg auf seinen drei Hektar Anbaufläche einen Spitzenwert von 130 Eimern Wein, im Minimum
dagegen nur 60, im Mittel also 95 Eimer. Nun ist dieser "Eimer" in keinem Fall identisch mit unseren heutigen
10-Liter-Standardeimer. Es handelt sich vielmehr um ein spätmittelalterliches Hohlmaß, das eigentlich "Eimber" hieß und
das von Landschaft zu Landschaft unterschiedliche Füllmengen besaß.
Die Grönaer Angaben bezogen sich auf den "Eimer im Bernburgisch Maß", den Anhaltischen Eimer, wenn man so will. Er fasste
nach Franz Stielers Angaben 70 Liter. In Gröna wurden also im Schnitt 6650 Liter Wein eingebracht. Der Ertrag im Weinbau
wird in Hektoliter pro Hektar angegeben. Für Gröna heißt das: 66,5 Hektoliter auf drei Hektar ergibt den Wert von 22,1.
Dies Ergebnis ist im Vergleich mit gesamtdeutschen Statistiken bis an die Zeit von 1932, dann folgte die Ära des heute
noch gesteigerten Intensivweinbaus, ein durchaus beachtliches. Zwar liegt der Rheingau mit dem Wert von 32 weit an der
Spitze, aber ein traditionelles Weinbaugebiet wie Unterfranken kommt, besser gesagt kam, nur auf 17. Alle Achtung, Gröna
und damit wohl auch der ganzen heimischen Region. Es wurde also einmal beachtenswertes geleistet im Weinbau an der
unteren Saale. Daran zu erinnern, sollte Aufgabe dieses Beitrages sein.
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